Am 6. April las Frau Julia Cortis am St.-Ursula-Gymnasium in Lenggries aus Werken von Yevgenia Belorusets, einer ukrainischen Autorin und Bloggerin. Die Texte stammten aus dem Blog „Tagebuch aus Kiew“ (Spiegel Online) und dem Erzählband „Glückliche Fälle“.

Nach einem kurzen politisch-historischen Überblick von der Auflösung der UdSSR über die Unabhängigkeit der Ukraine im Jahre 1991 zum Euro-Maidan, der Annexion der Krim und der Gründung der sog. Volksrepubliken Lugansk und Donezk im Jahre 2014 begann die Lesung mit einem Tagebucheintrag vom 24.02.2022. Aus Kiew. Am Morgen. Der Anrufbeantworter voller Nachrichten. Als das „absolut Unmögliche“ Realität wurde. Als russische Truppen in die Ukraine einmarschierten. Krieg. Die leeren Straßen und Plätze in der ukrainischen Hauptstadt. Eine Stille, wie es sie nie zuvor gab.

Doch auch der nächste Eintrag vom 25.02.2022 ließ die Zuhörerinnen, die Schülerinnen der neunten Klassen, gebannt zuhören. Julia Cortis las weiter aus dem Tagebuch. Die Sirenen heulten, vor den Lebensmittelgeschäften lange Schlangen. Und trotzdem eine gespannte Ruhe in der Stadt.

Frau Cortis machte deutlich, dass der Krieg aber nicht erst im Februar 2022 begann, sondern bereits acht Jahre zuvor. Mit der Annexion der Krim und der Schaffung der sog. Volksrepubliken Donezk und Lugansk in der Ostukraine. Deutlich machte dies die Vortragende etwa anhand einer Erzählung von Yevgenia Belorusets. In einem literarischen Portrait einer Floristin, die in ihrem Blumengeschäft in der Ostukraine lebt, in einer wundervollen Welt von Blumen und Gestecken, für die sich die Floristin voller Freude und Hingabe stets neue und zauberhafte Namen ausdenkt. Plötzlich, im Jahre 2014, ist die Floristin weg. Im Blumengeschäft sind die Blumen verschwunden, aus dem Geschäft ist ein Lager voll mit politischem Agitationsmaterial geworden.

Julia Cortis, die beim Bayerischen Rundfunk regelmäßig als Nachrichtensprecherin arbeitet, las nicht nur, sie erklärte den Schülerinnen auch. So zeigte sie auf, wie schwierig es für die vielen Ukrainer, die als Muttersprache Russisch im Alltag verwenden, ist, weiter die Sprache der russischen Usurpatoren zu sprechen. Auch der Wunsch von Ukrainern, nun nicht mehr die russischen Bezeichnungen für Städte zu verwenden, wurde gut erläutert. Es ist eben doch ein Unterschied, ob man etwa „Charkow“ (russisch) oder „Charkiv“ (ukrainisch) sagt.

Christian Martino

 

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